Oberstes Prinzip bei der Netzgestaltung ist für uns eine optimale Nutzung der bestehenden Infrastruktur. Bevor das Netz verstärkt oder ausgebaut wird, setzen wir auf innovative Lösungen zur effizienten Auslastung des Systems. So können wir Investitionen in den Netzausbau auf ein technisch sinnvolles Maß reduzieren und gleichzeitig die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien sicherstellen. Zudem setzen wir auf eine bundesweite Zusammenarbeit mit Partnern, um den optimalen Ausbaubedarf zu erforschen, sowie die Digitalisierung des Systems.

Innovative Netzgestaltung

Möglich wird eine effiziente Netzgestaltung und Betriebsführung durch verschiedene innovative Konzepte, beispielsweise digitalisierte Netzplanungstools, bedarfsgerechte Spannungsregelungskonzepte, auch unter Einbeziehung der Blindleistungsbereitstellung von Erzeugungsanlagen, den Einsatz regelbarer Ortsnetztransformatoren (rONT) und Längsspannungsregler. Grundlage der effizienten Dimensionierung sind verschiedene Eingangsgrößen wie bestehende Netzstrukturen, Schaltzustände oder Lastflüsse, die unserer Netztochter nahezu vollständig digitalisiert zur Verfügung stehen. Sie werden ergänzt durch kundenspezifische Verbrauchsdaten sowie die Daten aus dem Netzleitsystem. Das Ergebnis ist ein reales Netzabbild.

Die daraus abgeleitete Netzplanung berücksichtigt die am Markt zur Verfügung stehenden neuen Technologien ebenso wie mittelfristige Prognosen der Last- und Einspeiseentwicklung, der Einspeiseleistungen unterschiedlicher Erzeugungsanlagen und Möglichkeiten des Last- und Erzeugungsmanagements. Eine besondere Herausforderung bei der effizienten Netzgestaltung ist die Einhaltung der zulässigen Spannungsbänder. Konventionell wird diese Aufgabe über einen klassischen Netzausbau gelöst, im Stromnetzgebiet der N-ERGIE kommen jedoch auch andere Methoden zur Spannungshaltung zum Einsatz.

Spannungsregelung im Umspannwerk

Durch ein innovatives Spannungsregelungskonzept („LASA – lastflussabhängige Sollwertanpassung“) kann das zur Verfügung stehende Spannungsband im Umspannwerk effizient ausgenutzt und der spannungsbedingte Netzausbau verzögert oder gänzlich vermieden werden. Dabei werden die Transformatoren in den Umspannanlagen je nach Last- bzw. Erzeugungssituation auf eine vom Sollwert abweichende Spannung eingestellt, zum Beispiel 20,5 kV. Versorgt der Umspanntransformator die Netzkund*innen, liegt die Spannung an der Mittelspannungssammelschiene beispielsweise bei bis zu 20,8 kV. Erkennt der Transformator anhand des umgekehrten Lastflusses eine Einspeisesituation, wird die Spannung je nach Höhe der Erzeugungsleistung auf bis zu 20,0 kV abgesenkt.

Blindleistungsmanagement

Blindleistung ist die pendelnde Energie im Netz, die zum Aufbau der elektromagnetischen und elektrostatischen Felder beispielsweise bei Motoren oder Kondensatoren benötigt wird. Sie erzeugt in der Regel zusätzliche Verluste, ist also eher ein „notwendiges Übel“. Im Kontext der Spannungshaltung gewinnt die Blindleistung jedoch zunehmend an Attraktivität, denn die Netzspannung kann aktiv in beide Richtungen beeinflusst werden. So werden die am Netz der N-ERGIE angeschlossenen Erzeugungsanlagen in die statische Spannungshaltung einbezogen und stellen in Abhängigkeit der tatsächlichen Netzspannung entweder bedarfsorientiert Blindleistung bereit oder werden mittels Fernwirktechnik auf den betrieblich erforderlichen Wert parametriert. Die Nutzung dieser Blindleistungsbereitstellung durch Erzeugungsanlagen erweitert die Aufnahmekapazität der Nieder- und Mittelspannungsnetze signifikant.

Regelbare Ortsnetztransformatoren (rONT)

Das Übersetzungsverhältnis konventioneller Ortsnetztransformatoren in den Netzstationen ist fix bzw. nur durch aufwändige Umschaltungen, verbunden mit einer Abschaltung der Transformatoren, veränderbar. Regelbare Ortsnetztransformatoren dagegen können das Übersetzungsverhältnis im laufenden Betrieb ändern und die Spannung innerhalb definierter Grenzen variabel ausregeln. Die Wirkung zeigt sich im gesamten nachgelagerten Niederspannungsnetz. Mittels Pilotanlagen werden im Netzgebiet der N-ERGIE verschiedene Lösungsansätze erprobt und sukzessive als Standard etabliert.

Bundesweite Zusammenarbeit zur Erforschung des optimalen Ausbaubedarfs

Um die Energiewende auch über die Grenzen unserer Region hinaus zu forcieren, sind unsere Beschäftigten aktiv an der Erstellung von Studien sowie der Ausgestaltung neuer Rahmenbedingungen beteiligt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Erforschung des optimalen Ausbaubedarfs in Verbindung mit der Energiewende. Unter anderem arbeiten wir hierfür mit dem Forum Netztechnik und Netzbetrieb (FNN), der dena (Deutsche Energie-Agentur), der FfE (Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft) sowie der Forschungsgemeinschaft für Elektrische Anlagen und Stromwirtschaft (FGH) zusammen. Erkenntnisse dieser Basisuntersuchungen in theoretischen Studien werden in die Praxis umgesetzt und bis zu zehn Jahre weiterverfolgt. Sie liefern hilfreiche Aspekte zur Transformation des Energiesystems in der tatsächlichen Umgebung.

Das gemeinsam mit der FfE verfolgte Projekt MONA (Merit Order Netz-Ausbau) untersucht beispielsweise die optimale Einsatzreihenfolge verschiedener Netzgestaltungsoptionen unter Berücksichtigung verfügbarer Technologien und Konzepte. Ziel ist eine effiziente Netzgestaltung bei minimalem Netzausbau. Die „dena Plattform Systemleistungen“ beschäftigt sich mit der zukünftigen Bereitstellung von Systemdienstleistungen, die sich aus der veränderten Erzeugungslandschaft ergibt. Im Mittelpunkt stehen hier die Themen Frequenzhaltung, Spannungsregelung, Wiederversorgungsaufbau und Betriebsführung.

Die Potenziale verschiedener Methoden zum Blindleistungsmanagement stehen im Zentrum der Studie SyNErgie: Wie kann die Industrie helfen, Schwankungen auszugleichen, indem sie ihre Nachfrage flexibel an das Stromangebot anpasst – ihren Stromverbrauch also bewusst steigert oder senkt – ohne, dass die Qualität der Produkte darunter leidet. Die Studie ist das Ergebnis eines von insgesamt vier Kopernikus-Projekten, die sich unter der Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit Wegen in eine klimaneutrale Bundesrepublik bis spätestens 2050 beschäftigen.

Um die Auswirkungen der Elektromobilität auf Verteilnetzbetreiber geht es in einer Studie im Auftrag des Netzbetreibers der N-ERGIE. Wie viele Elektrofahrzeuge wird es künftig im Netzgebiet geben? Was passiert, wenn alle E-Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden? Schaffen die Netze das? Diese und viele weitere Fragen wurden in der Untersuchung gestellt, die zu dem Ergebnis kam: Elektromobilität wirkt sich merklich auf den Strombedarf im Netz und die temporär benötigte Leistung aus. Durch die kontinuierlichen Investitionen der letzten Jahre ist das Verteilnetz der N-ERGIE aber schon heute gut auf diese Herausforderungen vorbereitet.

© IM-Fotostudio Ilona Müller

„Wir müssen unsere Natur so gestalten und bewirtschaften, dass auch unsere nächsten Generationen von und mit der Natur leben können. Diese Nachhaltigkeit unterstützt die N-ERGIE mit den unterschiedlichsten Projekten, sei es das Anlegen von Blühwiesen oder das Aufstellen von Insektenhotels.“

Sibylle Säger
Erste Bürgermeisterin
Nordheim am Main

Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse

Um eine nachhaltige und effiziente Netzbewirtschaftung zu gewährleisten und die Energiewende zu ermöglichen, sind die Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse sowie die Ausgestaltung der IT-Systeme von zentraler Bedeutung. Beispielsweise veranschaulicht ein neues Tool im Energie-Atlas Bayern, dem Internetportal der Bayerischen Staatsregierung zur Energiewende, an welchen Abschnitten es freie Kapazitäten zum Anschluss neuer EEG-Anlagen gibt. Zum ersten Mal in Deutschland wird das Verteilnetz eines ganzen Bundeslandes interaktiv gezeigt und potenzielle Betreiber können auf einen Klick sehen, ob ihre geplante Anlage angeschlossen werden kann.

Auch bei der Planung eines neuen Gebäudes wurden für die Kund*innen erste Schritte zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse umgesetzt. Mit dem Online-Service Netzanschluss der N-ERGIE Netz GmbH können Häuslebauer*innen seit Mitte 2020 ihr neues Eigenheim noch einfacher an das Strom-, Wasser und Erdgasnetz anschließen. Der benutzerfreundliche Service führt die Kund*innen Punkt für Punkt durch den Bestellprozess, bei dem mit Grafiken und Erläuterungen verdeutlicht wird, bei welchen Rahmenbedingungen die passenden Anschlussmöglichkeiten angeboten werden. Spürbares Ergebnis des neuen Online-Service: Kund*innen haben von der Bestellung bis zur Bauausführung kürzere Wartezeiten, die papierlose Kommunikation wird vorangetrieben und der Hausbau unbürokratisch vereinfacht.

Mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) treten ab Oktober 2021 weitere gesetzliche Neuregelungen in Kraft, die zusammenfassend als Redispatch 2.0 bezeichnet werden. Ziel der Regelung ist es, regionale Überlastungen im Verteilnetz bzw. lokale Netzengpässe zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sind neben konventionellen Kraftwerken erstmals auch Anlagen der erneuerbaren Energien ab 100 kW verpflichtet, am Redispatch teilzunehmen. Daraus ergeben sich erhebliche Herausforderungen für die Verteilnetzbetreiber, die insbesondere das Einspeisemanagement betreffen. In solchen Fällen müssen die Einspeiser bei Netzengpässen ihre geplante Stromproduktion reduzieren. Auch hier setzt die N-ERGIE auf digitale Unterstützung und implementiert eine neue Softwarelösung, die eine Ergänzung zu den bestehenden Systemen darstellt.